Es war nicht in meinen Plänen, nach Deutschland zu kommen. Nicht, daß ich etwas gegen dieses Land gehabt hätte, es war mir einfach sehr fremd. Im Grunde genommen hielt ich mich in Europa auf, ohne die Absicht dort zu sein.
1981 war ich mit meiner damaligen Gruppe für eine Tournee nach Italien eingeladen worden. Vier Monate sollte diese Reise dauern, bestehend aus Festival, Pädagogischem Treffen und dem Versuch ökonomisch zu überleben - und dazu kam noch der Druck, nicht die Chance zu verlieren, eine solche Erfahrung voll zu erleben. Das war nicht einfach und als Folge davon haben es diese acht Argentiniern nicht geschafft, als Gruppe zu überleben - so entschied ich mich, noch ein Jahr in Europa zu bleiben. Damals hatte ich noch nicht einen italienischen Paß, also bewegte ich mich „illegal“ zwischen Spanien und Italien hin und her. Es war in Italien, wo ich Francesca kennenlernte, die bei ihren Eltern in Vittorio Veneto „eine Pause“ machte von der ersten Tournee der Fliegenden Bauten; was sie mir erzählte, machte mich schon neugierig, aber, wie gesagt, Deutschland war mir immer noch sehr fremd und fern, so daß ich mir einfach mich nicht vorstellen konnte, dort zu sein; nur einige Monate später, als Francesca mir erzählte, daß die Gruppe für eine neue Produktion einen Schauspieler suchte, öffnete sich in meinem Gehirn etwas, was vorher nicht denkbar für mich war. „Non so n’anche come se dice sì in tedesco“[1], antwortete ich Francesca, und sie sagt “Ja, inoltre il nostro teatro è piutosto corporale”[2].
Einen Monat später war ich schon im Winterquartier der Fliegenden Bauten. Nun, zum ersten Mal in meinem Leben arbeitete ich in einer Gruppe, deren Namen ich nicht aussprechen konnte, bin in einer Produktion, von deren Titel ich nicht die Bedeutung kannte, wohnte ich in einem Dorf, von dem ich mich nicht alleine entfernen konnte, ich glaube, es hieß Seiershoffen...noch immer ist es schwierig für mich, dieses Wort zu artikulieren. Aber noch schlimmer war es zu versuchen, die Namen meiner Kollegen auszusprechen, außer natürlich Francesca, Stefano, Marcelo… Marcelo, Argentinier wie ich, war der einzige, mit ich richtig sprechen konnte, weil zu der Zeit auch mein Italienisch eher „rudimentär“ war.
Plötzlich war ich also in Deutschland, aber es war mir immer noch fremd und entfernt.
Inmitten einer Masse von Schnee, die ich noch nie so erlebt hatte, lande ich bei den Fliegenden Bauten und bleibe zwei Jahre bei diesem Theater, das damals alles andere als eine Gruppe war, sondern vielmehr ein Zelt und circa dreizehn Leuten mit verschiedenen „Visionen“ darüber, wie man Theater machen soll, leben muß, kocht usw., usw.,usw….
Also… meine Ankunft in Deutschland war ein Kultur Schock. Eine neue Landschaft, eine neue Sprache, sowie eine neue Form zu „komunizieren“. Es ist klar, daß es für mich besonders schwierig war, für meine eigenen „Visionen“ zu „kämpfen“, weil, so erschien es mir, das war genau die Form, in der man bei den Fliegenden Bauten komunizierte: kämpfend.
Meine erste Empfindung war diese, die deutsche Kultur hatte etwas Hartes an sich, und ich habe das (leider...) persönlich genommen.
Gleichzeitig lebte ich meinen damaligen Traum als Theaterschaffender und dazu entdeckte ich Deutschland, ein sehr außergewöhnliches Deutschland. In diesen Jahren kam das Buch „Ganz unten“ von Günther Wallraff heraus und alternativ zu sein war eine Alternative.
Wir lebten also in jenem Dorf, das, glaube ich, nicht mehr als 200 Einwohnern, dafür ungefähr 500 Kühe hatte. Die nächstliegende Kneipe war im nächsten Dorf, ca. 5 Kilometer entfernt. Es war für mich ein Abenteuer, den Weg auf dieser unglaublichen Masse von Schnee zurückzulegen, um mein erstes wirkliches deutsche Bier trinken zu gehen.
Ich wiederhole alles war für mich ein Abenteuer.
Ich muß sagen, dafür dass ich kein Wort verstehen konnte, ging es mir gut. Ich war damals 28 Jahre alt und für mich war es einer der Momente in meinen Leben, in dem ich mich wieder wie ein Jugendlicher fühlte; ich meine damit, in der Lage zu sein, die „Welt“ wiederzuentdecken, eine Welt, die aus einem Zirkuszelt, 13 Leuten, die für ihre verschiedenen Ansichten untereinander kämpften und miteinander Pläne schmiedeten, das ganze inmitten von ungefähr 200 Bauern mit ihren ungefähr 500 Kühen, sehr gutem Bier und viel Arbeit und Schnee.
Das erste Jahr erlebte ich als Schauspieler unter Schauspielern, die sich Theater auf ganz andere Arte und Weise als ich vorstellten.
Das zweite Jahr erlebte ich als Regisseur, mit Schauspielern arbeitend, die weiterhin das Theater auf ganz andere Art und Weise als ich sahen.
Jedenfalls produzierten wir zusammen “Rote Lippen” und “Titanic”, dazu noch legten wir unzählige Kilometer zusammen zurück, füllten das Zelt mit Publikum, das seltsamerweise eine theatralische Vision in unserer Arbeit erkannte, und erlebten auch einige harmonische Momente unter vielen weniger harmonischen.
Am Ende haben wir unsere Unterschiedlichkeiten akzeptiert (glaube ich) und es ist schade, daß wir es nicht geschafft haben, einige „Banalitäten“ hinter uns zu lassen... so haben wir fast 18 Jahren lang nichts mehr voneinander gehört.
Jeder hat wohl weiter daran gearbeitet, seine eigenen Visionen zu verwirklichen (glaube ich). Die 20 Jahre der Fliegenden Bauten sind Geschichte, und das, was wir in einigen Momenten erlebt haben, ist sicher nicht spurlos an uns vorbeigegangen.
Wie Heinrich Böll in „Ansichten eines Clowns“ schreibt, besteht das Leben darin, Momente zu sammeln. In meiner Sammlung sind die “Fliegende Bauten” ein guter Moment.
[1] “Ich weiß nicht einmal, wie man auf Deutsch „ja“ sagt”
[2] “Ja, außerdem machen wir eher Körpertheater.“
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